Kurt Groenewold vor seiner
Hauptverhandlung, 1978
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Strafverteidiger mit neuem Selbstverständnis

Kurt Groenewold gehört zu den Strafverteidigern, die ein neues Selbstverständnis für Strafverteidigung entwickelt haben. Dem Konzept des inquisitorischen Strafprozesses, in dem die Leitung der Verhandlung und die Zusammen­setzung des Sachverhalts alleinige Aufgabe des Richters ist, setzten sie ihrerseits den Anspruch auf ein eigenes Konzept für das Verfahren und für die Verteidigung entgegen. Der Angeklagte und sein Verteidiger sollten, demzufolge das Recht haben, alle Inhalte zu erörtern, die lebensgeschichtlich oder psychologisch als Teil des Tatgeschehens zu betrachten sind. In diesem Zusammenhang begreift der Anwalt die Strafprozessordnung und die sich aus der Verfassung ergebenden Rechte eines Angeklagten nicht als bloße Abwehrrechte gegen das Gericht, sondern als Basis für eigene Gestaltung. Die Strafprozessordnung und die Verfassung garantieren dieses Gestaltungsrecht der Strafverteidigung.
Gerhard Mauz, der einflussreiche Berichterstatter des Spiegels zum Thema Strafprozesse, fasste die Erscheinung 1976 folgendermaßen zusammen: „Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik steht der Beruf des Strafverteidigers im Mittelpunkt einer öffentlichen, grundsätzlichen Auseinandersetzung.“ (Politische Prozesse ohne Verteidigung. Klaus Croissant, Kurt Groenewold, Ulrich K. Preuß, Otto Schily, Christian Ströbele, Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 1976)

Kurt Groenewold hat dieses Konzept nicht nur bei der Vorbereitung der Verfahren gegen die RAF angewendet, sondern auch in früheren Verfahren der politischen Szene.